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Der Lehrer und der Backofen
Aktualisiert: 26. Feb. 2020

ER schnaubte und legte sein langes, hageres Gesicht in zornige Falten.
„Ich bin Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik – ich werde doch wohl noch messen und rechnen können!“
Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Dabei hatte alles so gut angefangen:
SIE, seine Ehefrau, hatte schon diverse Möbelhäuser besucht, war dann zu mir gekommen und hatte mich voller Begeisterung mit der Planung ihrer neuen Küche beauftragt.
Sie hatte schon beim ersten Besuch einen exakt gezeichneten Grundriss – „Mein Mann ist sehr genau“ - mit allen erforderlichen Maßen mitgebracht. Wir hatten dann während mehrerer und längerer Gespräche all ihre Bedürfnisse und Wünsche zusammengetragen.
Bei meiner Planung war mir aufgefallen, dass dem Architekten ihrer Küche die gängigen Küchengeräte- und Möbelmaße nicht geläufig gewesen sein konnten:
Ganze 200 cm maß der Raum in der Breite – also war maximal eine „Küchenzeile“ für einen Vierpersonen-Haushalt vorgesehen. (Für Küchenplaner ein Graus – und eine Herausforderung.)
Von meinen vorgelegten beiden Alternativ-Planungen war SIE so begeistert, dass sie sicher war, heute würde ihr Mann (!) den Kaufvertrag unterschreiben.
ER zeigte sich zunächst auch durchaus zufrieden mit Planung und Preis - bis auf die Anordnung des Backofens getrennt vom Kochfeld.
„Warum soll ich den teureren Backofen, eingebaut in Sichthöhe, bezahlen, wenn’s auch ein normaler Herd tut? Solch modischen Schnickschnack brauchen wir nicht!“
Geduldig erklärte ich, dass ein Gerät ja auch einen Bedienungsspielraum haben muss:
Möbeltiefe = 60 cm auf beiden Seiten = 120 cm. Bleibt bei einem 2m breiten Raum ein schmaler Durchgang von 80 cm. Öffnet man dann die ebenfalls 60 cm tiefe Backofenklappe in Wadenhöhe, verengt sich der Durchgang auf 20 cm!! Da kann die schlankste Frau nicht stehen oder durchgehen, ohne sich die Beine zu stoßen oder gar an einer heißen Backofentür zu verbrennen.
An seinem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, dass ER mit dieser Erklärung nicht wirklich etwas anfangen konnte. Also erklärte ich weiter:
"Ihre Frau kann auch nicht aus dem Stand oder den Knien heraus ein Backblech, einen schweren Bräter oder Römertopf hochheben. Sie muss sich dabei bücken und dabei benötigt ihr gebeugter Körper nach hinten zusätzlichen Bewegungsraum.
"Das stimmt", pflichtete SIE mir bei.
"Du willst doch wohl nicht behaupten, dass du keinen Bräter aus dem Backofen holen kannst. Das ging doch bisher auch problemlos!" Er starrte sie mit zusammen gekniffenen Brauen an.
"Ne..Nein, aber..." SIE sah mich ratlos an.
"Wegen eines lächerlichen Topfes brauchen wir nicht so einen teuren Backofen", knurrte ER.
Nun wurde SIE laut. "Dieser lächerliche Topf wiegt leer schon 8kg! Du musstest ja unbedingt einen aus Gusseisen kaufen!"
'Oh, oh', dachte ich, 'bevor das hier zu einem Ehekrach ausartet, muss ich was tun!'
Also bat ich beide, mir in die Ausstellungsküche zu folgen. Hier erklärte ich nochmals, um was es ging, demonstrierte mit einer „Kniebeuge“, welcher Bewegungsraum für den gebückten Körper nötig ist und fügte hinzu:
„Ich habe alle denkbaren Varianten für Sie durchgerechnet – bei diesem Grundriss gibt es keine andere Lösung. Das können Sie mir glauben!"
„Ich kaufe keinen teuren Backofen. Schließlich habe ich alles ausgemessen und bin überzeugt, dass der Platz ausreicht…“, schnarrte Er - von oben herab - mit seinem Zollstock herumfuchtelnd. „ Ich werde doch wohl noch eine kleine Küche planen und ausmessen können! Schließlich bin ich Mathematiker!“
ER regte sich immer mehr auf und ließ sich auch nicht von seiner Ehefrau beruhigen.
Ich beschloss, auf den Auftrag zu verzichten, schlug die Planungsakte zu und verabschiedete mich höflich mit den Worten:
„Wenn Sie ohne Ausbildung Küchen planen können, wünsche ich Ihnen viel Erfolg!" Und fügte hinzu: "Dann kann ICH ja morgen in Ihre Klasse gehen und den Schülern Mathematikunterricht geben!“
Die Moral von der Geschicht':
Bei engen Raummaßen oder wenigen Quadratmetern ist STAPELN von Elektrogeräten angesagt. Backofen in Sichthöhe mit ganz zu öffnender oder mit einschiebbarer Ofentür statt Klappe. So könnt ihr den knappen Platz nutzen und Verbrennungen vermeiden!
Stapelt Backofen auf Geschirrspüler, Kühlschrank auf Gefrierschrank usw. Nehmt ein Backblech aus dem Ofen und schaut mal, wieviel Raum die Ellenbogen dazu benötigen. Achtet immer darauf, dass ein Backofen oder ein Kühlschrank nicht direkt am Ende einer Wand stehen.
Hier ein Beispiel für eine sehr schmale Küchenzeile. Der Backofen verfügt über einen Türeinschub und wurde zur optimalen Raumnutzung über dem Geschirrspüler platziert!
